Rot Grüne Gedanken März 2023
Ich muss zugeben, ich lebe schon ziemlich fest in einer Bubble. Gerade auf Social Media zeigt sich das jeweils deutlich: Viele der Leute, denen ich auf Instagram folge, teilen sehr ähnliche Inhalte wie ich. Umso erstaunlicher finde ich, dass am 8. März mein Feed voll war von Inhalten zum "internationalen Frauentag"! Ich las Forderungen nach Frauenquoten in der Chef*innen-Etage, Loblieder darauf, dass Frauen nun fast so viel arbeiten wie Männer und Statistiken zu Fortschritten für Frauen im Spitzensport. Ausserdem war mein Feed überflutet von gesponserten Beiträgen zu Rabatten auf Schminke, Periodenunterwäsche und Ohrringe. Das tönt alles nicht so schlimm, aber ich kann weder mit transfeindlichem, noch mit neoliberalem girlboss-Feminismus oder mit dem kapitalistischen Ausschlachten dieses Tages etwas anfangen.
Umso erfrischender also, dass es auch noch ganz andere Posts gab: Zuerst einmal Posts, welche auf die Geschichte des feministischen Kampftages hinweisen. Die daran erinnerten, dass die Idee des Kampftages nämlich aus einer Streikbewegung entstanden war. Der 8. März wurde schliesslich als Datum gewählt, weil an diesem Tag im Jahre 1917 in Russland Tausende Fabrikarbeiter*innen gegen den Willen der Gewerkschaften ihre Arbeit niederlegten und auf die Strasse gingen, und so die Februar-Revolution auslösten. Diese Geschichte ist so wichtig, weil sie eben in Konflikt steht mit heutigen Interpretationen des internationalen feministischen Kampftages, denn: Dieser Tag stand schon immer im Zeichen der Verbindung zwischen Feminismus und Klassenkampf. Es geht weder darum, mehr FLINTA*-Personen in Positionen zu haben, wo sie andere oder sich selbst ausbeuten, noch darum, den kapitalistischen Arbeits- und Konsumzwang zu stärken. Sondern darum, die Doppel- oder Mehrfachdiskriminierung durch Kapitalismus, Patriarchat und weitere unterdrückende Systeme aufzuzeigen und zu bekämpfen.
Ich erfreute mich auch über Posts mit wirklich intersektionalen, queerfeministischen Forderungen. Forderungen nach Selbstbestimmung über unsere Körper, nach Bekämpfung sexueller Gewalt, nach mehr Rechten für TINA*-Personen und dem Zusammendenken mit anderen Diskriminierungsformen. Posts die aufzeigen, dass wir das Patriarchat nur mit dem Ende des Kapitalismus endgültig überwinden können. Und Posts die dazu aufrufen, die Angriffe der Rechten zu bekämpfen, welche überall auf dieser Welt auf FLINTA*-Personen abzielen, ihre Rechte und Sicherheit gefährden und häufig damit einhergehen, Faschismus wieder salonfähig zu machen.
Kaum eine feministische Errungenschaft ist sicher, und deshalb ist es umso wichtiger, dass wir weiterkämpfen. Am 8. März, am 14. Juni und darüber hinaus.