Rot Grüne Gedanken Februar 23

Wenn wir unsere Geschichte vergessen, haben wir verloren.

Über die mangelhafte Aufarbeitung der Rolle der Schweiz während des Holocausts

Die Schweiz sei neutral und hätte sich dadurch auch stets aus jeglichen geschichtlichen Verbrechen ausgeschlossen. Eine Aussage, welche allzu häufig in Diskussionen über die Rolle der Schweiz im Zusammenhang mit den Gräueltaten während des Holocausts verwendet wird und auch häufig, aufgrund von fehlender Aufklärung und Ignoranz der Fakten, nicht widerlegt wird. Denn natürlich scheint es simpler die eigene Mitschuld zu bestreiten und den Fokus auf die «wahren Übeltäter*innen» zu legen, als sich aktiv mit der eigenen Rolle und der dementsprechend notwendigen Aufarbeitung auseinanderzusetzen.

Doch diese Auseinandersetzung ist mehr als notwendig, da es nicht sein darf, dass die Mitschuld und das Mitprofitieren am Holocaust in einer weiteren vergessenen Schublade der Geschichte verschwinden. Vergessen ist in diesem Zusammenhang und in Zeiten des erstarkenden Faschismus der grösste begehbare Fehler. Die Präsenz des Faschismus in der Bevölkerung und den Medien wächst. In letzteren profitiert er sogar häufig von einer unterstützenden Platform.

Im Anlass des Holocaust rememberance day vom 27. Januar müssen wir uns die Beteiligung der Schweiz unbedingt nochmals ins Gedächnis rufen und in Erinnerung behalten.

Denn erst 1957, zwölf Jahre nach Kriegsende, startete die Schweiz einen langsam angehenden Versuch die eigene Rolle aufzuarbeiten, nachdem diese in den frühen Nachkriegsjahren komplett abgestritten wurde. In einem ersten Schritt geschah dies durch die Verfassung des des sogennanten «Ludwig-Bericht», welcher sich mit schweizer Migrationspolitik zur Zeit des Holocausts befassen sollte. Denn diese strenge und menschenverachtende Grenzpolitik, insbesondere gegen jüdische Menschen, welche beispielsweise in einem Kreisschreiben aus 1942, welches an alle polizeilichen Behörden verschickt wurde, praktiziert wurde, resultierte in einer aktiven Zurückweisung und der bewussten Auslieferung der Menschen an die Vernichttungsmaschenerie der Nazis, obwohl zahlreiche Schutzsuchende hätten aufgenommen werden können.

Auch bei der Frage um die Errichtung eines Denkmals für die Opfer des Holocausts blieb die Schweiz für Jahrzehnte lang passiv und kam erst in den 1990 Jahren langsam dazu den Diskurs aufzugreifen, nachdem die Schweiz im Jahre 1989 noch als einziges europäisches Land die Mobilmachung und damit auch den Kriegsausbruch von 1939 gefeiert hatte. Also während man die Notwendigkeit in der Aufarbeitung des Holocausts nicht sah und dieses schreckliche Kapitel als vergessenes geschichtliches Ereignis einstufte, wurde sogar noch der Beginn des Krieges gefreiert. Und die eigentliche Initiative für die Errichtung eines Denkmales entstand auch nicht etwa aus einem parlamentarischen Diskurs heraus, sondern von der Organisation für Auslandsschweizer*innen.

Denn auch heute, fast 80 Jahre nach dem Kriegende, sind wir mit der Aufarbeitung absolut noch nicht fortgeschritten genug, obwohl dies in den heutigen Zeiten Pflicht sein müsste. Wir dürfen unsere Geschichte, besonders im Bezug auf die verharmloste Rolle der Schweiz nicht vergessen, denn ansonsten haben wir verloren.